Über GASTSPIELE

Wohnen ist Handeln. Wir stecken Zonen ab, in denen wir unvorzeigbare, intime, weitgehend selbst kuratierte Stunden verbringen. Das weggebaute Aussen wird allerdings immer grösser und unübersichtlicher. Wir lernen, wie man neuartige, virtuelle Schutzwälle baut, um nicht ins Zeitalter der post-privacy zu rutschen. GASTSPIELE lädt alle zwei Jahre Kulturschaffende aus den Bereichen Theater, Tanz, Performance, Musik und Wissenschaft ein, diese Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum zu befragen und die verborgenen Strukturen des privaten Daseins für einen Moment erlebbar zu machen. Nach GASTSPIELE Zürich City (2011) und GASTSPIELE Zürich Grünau (2013) beziehen wir diesen Herbst den mythischen Hausberg auf der Sonnenseite des Zürcher Seebeckens.

Den Zürichberg kennen wir als Villenquartier mit raumgreifenden Wohn- und Gartenanlagen. Er steht für Exklusivität, thront als Monument der Unnahbarkeit über dem Stadtzentrum. Seine gastfreundlichste Seite ist das Erholungsgebiet mit Wald, Schrebergärten und Zoo auf der Kuppe. Doch der Zürichberg wird durchmischter bewohnt als erwartet, ist mehr als eine abgeschottete Hochburg der Reichen und Mächtigen. Als Quartier ist er keineswegs eine Ansammlung unabhängiger privater Oasen hinter verschlossenen Türen. Die Begegnungskultur geht hier allerdings verschlungene Wege. Der Bereich zwischen Privatheit und städtischer Öffentlichkeit – das Quartier und seine Netzwerke haben sich uns als ein Mosaik aus kleinen Inseln gezeigt, das sich über den Zürichberg zieht. Deswegen gibt es bei der diesjährigen GASTSPIELE-Ausgabe kein fixes Festivalzentrum, sondern unterschiedliche Versammlungsorte, an denen die individuellen Wege Ihrer Hausbesuchstouren und Spaziergänge ab und zu zusammen finden.

Den Ausnahmezustand im Zeichen der Gastfreundschaft können Sie bei uns aus unterschiedlichen Perspektiven erleben: Boyz in the woods halten in einem Garten eine Flora-Zeremonie ab. Das Klavierduo Arte Animi spielt vierhändig Klassisches, Zeitgenössisches und Eigenes. Die neuen Nachbarn, Cie. Sündenbock, laden ein zum Kennenlern-Apéro. Die Musiker Astride Schlaefli & Christian Kuntner entlocken Küchengeräten und Spielzeug filmische Soundstories. Stephan Stock & Wanja van Suntum untersuchen, wie man vom Sofa aus die Welt verändern kann. Die Tänzerinnen und Choreographinnen Émilia Giudicelli & Catalina Insignares Martinez entfachen einen Dialog zwischen verborgener Arbeit und domestizierten (Tanz)Körpern. Ein soziologischer Blick auf Wohnungseinrichtungen ist mit Patrick Ischer zu erleben. GASTSPIELE-poet-in-residence Melanie Katz widmet sich der urbanen Landschaftsdichtung. Mit Lucie Tuma und dem Lonely Sunday Walkers Club geht es auf einen tektonischen Spaziergang und A Bang and a Whimper bespielen den Zürichberg mit einem begehbaren Konzert.

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, werden Sie zu Gästen am Zürichberg!

Wir freuen uns auf Sie,
Ihr GASTSPIELE-Team
Daniela Lehmann, Fabienne Naegeli, Nina Kunkel

Die ortsspezifische Festivalreihe GASTSPIELE zeigt Theater, Tanz, Musik & Performance in privaten Räumen und macht das Publikum zu Gästen. Unser Vorbild ist das Hauskonzert, das keineswegs angestaubt ist, sondern den Kern einer Kunst trifft, die sich mit gesellschaftlicher Realität auseinandersetzt und ein potentielles Jenseits von Normen schafft. Als vorübergehender Kulturort muss sich die häusliche Aufführung ihre Regeln immer wieder von Neuem schaffen. Sie lenkt dabei den Blick auf die Wohnung – unsere private Schaltzentrale, von wo aus wir die Verhältnisse zwischen Innen und Aussen regeln, die uns dritte Haut, persönliche Kulisse und tägliche Startrampe ist.